Die Einwohner in Chile
Wenn du schon immer davon geträumt hast nach Chile zu reisen, dann geben wir dir damit absolut recht! Das Land hat alles, was ein wahres Eldorado für Backpacker so braucht: eine mitreißende Kultur, einzigartige Landschaften, lebendiges Stadtleben und auch ganz tolle Menschen, die das Land der Extreme ihr Zuhause nennen.
Wir wollen dir zeigen, dass Chile ein wahres Gastgeberland ist, das besonders mit Solidarität, Herzlichkeit und Patriotismus bei den Reisenden punktet. Und trotz aller Umstände in Vergangenheit und Gegenwart bildet es eine beispielhafte Gemeinschaft. Und dann stehst du genau hier – am buchstäblichen Ende der Welt und blickst auf absolute Menschenleere – um zu begreifen, was die chilenische Kultur in Sachen Zusammengehörigkeit und Stärke zu bieten hat.
Allgemeines zu den Bewohnern Chiles
Die meisten der 19 Millionen Chilenen sind sogenannte Mestizen, die sowohl indigene als auch europäische Vorfahren haben. Während der spanischen Eroberung war die Gesellschaft in rassistisch geprägte Klassen eingeteilt und diese Gruppe bildete die Mittelklasse – unterhalb der Nachfahren der weißen Spanier und oberhalb der indigenen Menschen und der afrikanischen Sklaven. Gott sei Dank ist dieser dunkle Teil der Vergangenheit nicht mehr zu spüren.
Die einheimischen Kulturen der Mapuche in Südchile und der Aymará in Nordchile sind jedoch allgegenwärtig: Es werden auch heute noch die zugehörigen Naturreligionen praktiziert und die indigenen Sprachen gesprochen. An den meisten chilenischen Schulen steht Aymará oder Mapudungun sogar auf dem Stundenplan der Schüler. Viele Sehenswürdigkeiten berichten von vergangenen Kulturen und spannenden Geschichten, bevor die spanische Kolonisation ab dem 16. Jahrhundert begann.
Allerdings kamen auch viele englische, deutsche, niederländische, französische, osteuropäische oder nahöstliche Einwanderer nach Chile. Demnach ist die Bevölkerung des Landes seit jeher kunterbunt gemischt und international geprägt. Die gemeinsamen Nenner sind der katholische Glaube und die spanische Sprache.
Wenn man jedoch einen Chilenen fragt, welche Sprache er spricht, wird er dir immer Español nennen. In anderen Teilen von Südamerika tendieren die Einwohner nämlich eher zu Castellano. Dies mag sein, da sich der chilenische Dialekt stark vom europäischen Spanisch abhebt und du wirst anfangs nicht unbedingt alles verstehen können.
Viele Chilenen lassen sich in Mittelchile (zwischen Valparaiso und Concepción) finden. Besonders in der Hauptstadtregion um Santiago de Chile und den Ballungszentren Concepción, Temuco, Valparaíso, Valdivia, Chillán, Talca und Rancagua.
Nur wenige Einwohner besiedeln die öden Landschaften der Atacama-Wüste, die Gipfel der Anden oder die unzähligen Inseln in Patagonien und Feuerland. Generell ist Chile 750 000 Quadratkilometer groß – also doppelt so groß wie Deutschland, aber nur mit einem Viertel der Menschen. Das bedeutet, die Chilenen haben vor allem eins: Platz.
Die chilenische Kultur
Genauso unterschiedlich wie das Land selbst sind auch die Einwohner von Chile. Nirgendwo sonst in Südamerika ist der Unterschied zwischen Arm und Reich so offensichtlich wie hier.
Zwar gehört Chile zusammen mit Argentinien zu den florierenden Staaten in Lateinamerika, allerdings besitzen die reichsten 1 % der Chilenen stolze 35 % des nationalen Geldes. Im Umkehrschluss bedeutet dies, reiche Chilenen sind wirklich reich und Armut ist doch verbreiteter, als es auf den ersten Blick scheint.
Wirtschaftsexperten sprechen gar von einem Boom der chilenischen Ökonomie: eine sehr geringe Arbeitslosenquote, kaum Inflation und viel internationales Interesse durch Investoren. Zum einen stellen viele Unternehmen hier ihre Produkte her, zum anderen wird der Tourismus in Chile immer beliebter. Das Land ist reich an Kupfer, Lithium und Gold, handelt jedoch auch viel mit Meeresfrüchten, Obst und weltberühmtem Wein.
Allgemein ist es natürlich nicht möglich, eine ganze Nation zu charakterisieren und somit Vorurteile zu schaffen bzw. sie zu verteidigen. Es lassen sich nichtsdestotrotz einige positive Werte erkennen, auf die ein stereotypischer Chilene sehr viel Wert legt. Egal, ob du eine bekannte Telenovela ansiehst oder das authentische Familienleben am eigenen Leib spürst, dir werden die folgenden Grundsätze auffallen.
Solidarität
Die chilenische Gesellschaft ist eher eine riesengroße Gemeinschaft. Jeder ist für den anderen da und Hilfsbereitschaft hat einen hohen Stellenwert. Man ist besonders höflich zu älteren Mitmenschen und nett zu Personen mit Behinderung.
Das klassische Szenario der schwangeren Frau im Bus wird in Chile fast immer mit Solidarität entgegnet: Man steht für sie auf.
Natürlich reicht das Zusammengehörigkeitsgefühl nur innerhalb desselben Umfelds. Arme Chilenen bleiben unter sich – und reiche Chilenen bleiben hinter hohen Mauern und in separaten Stadtteilen auch für sich.
Besonders in den unzähligen Krisenzeiten wie einem Erdbeben oder einer Wirtschaftskrise spürt man eine einzigartige Solidarität der ganzen Nation. Ganz getreu dem Motto „geteiltes Leid ist halbes Leid“ gehen alle Mitbürger liebevoll und respektvoll miteinander um. Für südamerikanische Verhältnisse existieren wahnsinnig viele Wohltätigkeitsorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen, die sich um Belange des allgemeinen Wohls sorgen.
Viele Familien, die es sich leisten können, beschäftigen eine sogenannte nana. Diese Haushaltshilfe ist jedoch weitaus mehr als Kindermädchen und Putzfrau – sie ist auch oft Teil der Familie und wohlhabende Familien sehen es als soziale Pflicht, die sehr tiefgehenden Tätigkeiten großzügig zu entlohnen.
Darüber hinaus wird das typische Machobild von Lateinamerika in Chile nicht besonders verfolgt, die Frau ist weitestgehend eigenständig und in etwa so gleichberechtigt wie in europäischen Standards. Minderheiten in Herkunft, Religion, sexueller Orientierung und Ethnien werden zwar teilweise schief angeguckt und haben mit unterschwelligen Vorurteilen zu kämpfen; ihnen droht jedoch nicht die Unterdrückung oder Abschiebung wie in anderen Gesellschaften.
Gastfreundschaft
Der normale Chilene liebt Gesellschaft. Egal ob er ein Grillfest (asado) schmeißt oder mit seinen Freunden um die Häuser zieht, man zeigt sich immer gerne gesellig. Sobald du als Reisender in den Genuss kommst, von einem Chilenen eingeladen zu werden, solltest du die Einladung auf jeden Fall annehmen.
Du wirst eine Menge Spaß haben, denn die Chilenen sind ein absolut feierwütiges Völkchen. Bei erstklassigem Wein, deutschem Bier oder einem erfrischenden Pisco Sour wirst du zu Reggaeton und Cumbia die Hüften kreisen lassen. Am besten gehst du hierzu einfach auf eines der vielen bunten Festivals in Chile.
Übrigens ist man in Chile recht distanziert und höflich. Erst wenn das Eis gebrochen ist, wird die Atmosphäre sehr schnell viel lockerer und legerer. Aber du merkst bestimmt gleich, ob eine Einladung zum Abendessen eher eine nette Floskel oder ein tatsächliches Angebot zum Abendprogramm sein soll. Wenn es dazu kommen sollte, wirst du Empanadas oder den nationalen Maisauflauf pastel de choclo lieben!
Patriotismus
Der wohl gravierendste Unterschied zur deutschen Kultur ist der Patriotismus. Die Geschichte, die Natur, die Aktivitäten – alles ist so abwechslungsreich, dass auch die facettenreichen Lebensumstände sehr unterschiedliche Leute hervorbringt. Was sie eint, ist die bedingungslose Liebe zum eigenen Land. Es gibt nicht nur einen Grund für den chilenischen Patriotismus, sondern viele Einflüsse haben wohl auch hierbei das Gemeinschaftsgefühl gestärkt.
In der Geschichte wurde die Gesellschaft von den Spaniern unterdrückt. Die indigene Bevölkerung wurde vertrieben oder ihrer Rechte beraubt. Im 20. Jahrhundert schließlich litt das Land unter einer tragischen Schreckensherrschaft unter Diktator Pinochet und wieder wurden viele Grundrechte missachtet.
In der Gegenwart ist nun der Rassismus weitestgehend überwunden, soziale Ungerechtigkeit allerdings bleibt. Die indigenen Kulturen sind inzwischen sogar stolz auf sich und bestärken die chilenische Kultur. Während der Fußballvorentscheidung zur Weltmeisterschaft 2014 erlebte das Land sogar noch einen weiteren Aufschwung in puncto Patriotismus. Man staunte nicht schlecht, als bei jedem gewonnenen Spiel unzählige Autohupen durch die Straßen im ganzen Land hallten.
Eine subtile Konkurrenzsituation mit dem Nachbarland Argentinien und kleinere Reibereien mit Peru und Bolivien lassen das Land nicht nur geografisch an den Rand wandern. Hier hört buchstäblich die Welt auf und in den meisten Gegenden spüren die Chilenen genau diese Isolation zum Weltgeschehen. Der Patriotismus ist somit als Antwort zu einem gewissen Minderwertigkeitsgefühl zu verstehen. Chile versucht zudem, unabhängig zu sein – allerdings nicht zu Spanien und den USA, sondern zu allen anderen Ländern.
Die Einwohner des anderen Endes der Welt: Die Osterinseln
Wusstest du, dass es ein Stück Chile mitten im Pazifik gibt? Richtig, die Osterinsel mit ihren weltberühmten Steinköpfen gehört seit 1888 zu Chile. Sie liegt genau zwischen Tahiti und Chile-Festland, über 3500 Kilometer vom Mutterland entfernt.
Das indigene Volk der Rapa Nui bestimmt hier die Kultur der 7800 Einwohner der Insel. Auch die 900 Einwohner auf den Juan-Fernández-Inseln gehören zum Volk der Chilenen. Beide Gruppen unterscheiden sich natürlich etwas in ihrer Kultur und Lebensweise von den Chilenen des Festlandes.
Fazit
Pablo Neruda, der bekannteste chilenische Schriftsteller, sagte einmal: „Sie können wohl alle Blumen abschneiden, aber sie können den Frühling nicht verhindern.“ Genau dieser Satz trifft das Mark der chilenischen Kultur. Trotz dunkler Ereignisse in weiter und jüngerer Vergangenheit konnten sich die Chilenen immer wieder aufrappeln und als Land zusammenstehen.
Marvin Erdner