Vorurteile gegenüber Kulturen beseitigen
Good morning, how are you? – So oder so ähnlich wirst du als Reisender in den USA begrüßt. Allerdings solltest du wissen, dass speziell in Amerika die Frage nach dem Wohlbefinden eher eine Floskel ist als aufrichtiges Interesse an deinem Leben. Es gehört eben einfach dazu, ein Gespräch so zu starten.
Gleichzeitig wird übrigens von dir erwartet, dass du positiv antwortest. Es wird komisch und durchaus unfreundlich, wenn du nun nicht die erwartende Antwort gibst, sondern ehrlich sagst, dass du beispielsweise Kopfschmerzen hast.
Diese Nicht-Beachtung der Spielregeln kann dann dazu führen, dass dein Gegenüber alle Deutsche als freche oder ungebildete Leute erachtet. Auf der anderen Seite kannst du dann auch den Eindruck bekommen, dass dein Gegenüber recht oberflächlich und desinteressiert ist.
Wir wollen dir zeigen, wie Vorurteile entstehen, was für Folgen sie haben und wie man sie speziell beim Reisen überwinden kann.
Definition
Das Wort Vorurteil drückt es schon ganz passend aus: Man beurteilt etwas, bevor man es kennt. Im Kontext von fremden Kulturen heißt das, du erwartest etwas von einer anderen Person, nur weil diese aus einem anderen Land kommt.
Geschichtlich gesehen war das Verhalten früher sogar sinnvoll: Man blieb unter bekannten Personen und schützte sich gegen andere Kulturen, die einen angreifen und unterjochen konnten.
Vorurteile gibt es jedoch nicht nur gegenüber Ausländern – auch Frauen und Männer, behinderte oder homosexuelle Menschen, ja sogar Blondinen oder Friseure müssen fast täglich damit beschäftigen.
Was manchmal nur als Witz auf Kosten einer bestimmten Gruppe daherkommt, kann schnell gefährlich werden, wenn das sich festigt und zu Diskriminierung führt.
Vorurteile gegen Ausländer bilden oft Klischees. Das sind Verallgemeinerungen wie Deutsche sind immer pünktlich, Russen sind alle besoffen oder Chinesen sehen alle gleich aus. Leider wird oft nicht zwischen harmloser Überspitzung und beleidigender Aussage entschieden und so finden solche Stereotype nur allzu oft Einzug in der gesamten Gesellschaft.
Menschen haben dann bereits eine Meinung zu einem bestimmten Volk, ohne jemals dort gewesen zu sein oder Kontakt zu einer Person dieser Kultur gehabt zu haben. Das Bild aus den Medien oder vom Hörensagen reicht schon aus, dass du voreingenommen gegenüber dieser Kultur bist.
In seiner extremsten Form führt das zu Xenophobie. Dieser Begriff beschreibt die Angst zur Entfremdung der Gesellschaft oder Fremdenfeindlichkeit. Eng damit verbunden ist dann der Rassismus, der sich viel auf negative Stereotype und Klischees stützt. Damit es nicht zu einem salonfähigen Fremdenhass kommt, müssen Vorurteile überwunden werden.
Wie das Reisen Vorurteile schwächen kann
Wer verreist, wird zwangsläufig mit einer fremden Umgebung konfrontiert. Daher kann man als Reisender gut lernen, Vorurteile gegenüber anderer Kultur zu bewältigen. Die allermeisten werden auf der Reise feststellen, dass die Vorurteile zu einem gewissen Grad sogar stimmen.
Allerdings solltest du stets bedenken, dass sie in deiner persönlichen Situation passen. Ein anderer Reisender macht vielleicht ganz andere Erfahrungen in deinem Reiseland.
Eine Garantie, dass alle Einheimischen sich genauso verhalten, wie du es erwartest, gibt es nie. Es leben einfach zu viele verschiedene Charaktere zusammen und der Zufall entscheidet, wen du kennenlernst.
Die Idealvorstellung, man könnte alles einfach abschütteln und sich ganz ohne jegliche Vorahnung in einer neuen Kultur zurechtfinden, ist leider unmöglich. Man hat ja immer eine Meinung zu anderen Menschen und persönliche Beziehungen beruhen immer auf Sympathie und Antipathie.
Auch Vorurteile gegenüber den sichtbaren Eigenschaften einer Kultur (Kleidung, Essen, Landschaften, Klima, Natur, Städte, Wahrzeichen, Musik, o.ä.) müssen erst noch überwunden werden.
Natürlich ist der Eiffelturm in Paris kein Klischee, sondern ein Fakt über die Stadt. Aus Erzählungen in deinem Umfeld erwartest du jedoch ein riesengroßes, glänzend schönes und menschenleeres Bauwerk und musst bei deiner Reise feststellen, dass deine Erwartungen zu hoch waren. Du hast nämlich nicht mit der relativ kleinen Größe, der tristen Farbe oder den Touristenmassen gerechnet.
Sich von jeglicher Voreingenommenheit freizumachen, sollte das Ziel deines Reisens sein. Und wie so oft lernst man es erst, wenn man es am eigenen Leib erlebt. Vorurteile sind wie alle Meinungen sehr subjektiv und dein Charakter entscheidet darüber, wie du dich von Stereotypen treiben lässt und wie sehr du versuchst, richtige Beispiele für sie zu finden.
Wie das Reisen Vorurteile verstärken kann
Genau so groß wie die Chance einer Überwindung ist, so groß ist auch die Gefahr, dass sie gefestigt werden. Denn wenn eine Kultur erst einmal innerhalb einer gedanklichen Schublade gelandet ist und ein einziges Beispiel genau dem entspricht, fühlt sich der Reisende bestätigt. Dieses Parteiisch-Sein wird nun bei allen Locals erwartet.
Wenn sich ein Einheimischer nicht diesen Erwartungen nach verhält, wird er dann übersehen oder als sehr extremer Sonderfall aufgefasst. Das eigentliche Brechen mit den Vorurteilen läuft also Gefahr, mit eigenen Beispielen belegt zu werden.
Wieder zuhause wird der Reisende jetzt die Übergeneralisierung weitererzählen und das soziale Umfeld wird ebenfalls überzeugt, dass alle Personen in der Kultur genauso drauf sind.
Wenn dir sowieso schon die deutsche Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wichtig sind, wird dir alleine das Busfahren beim Reisen ein Dorn im Auge sein. Viele andere Kulturen richten sich nicht nach Fahrplänen, das Erleben von Hier und Jetzt scheint im Fokus zu stehen. Man wird durch den missfallenden Fehler immer weiter in seiner Meinung bekräftigt.
Wie schon gesagt, kann es sich auch um negative und beleidigende Merkmale handeln, was dann die Überlegenheit der eigenen Kultur verursacht. Man darf natürlich stolz auf seine Kultur sein, aber es nicht als besser erachten als andere. Rassismus entsteht genau hier.
Wie das Reisen helfen kann, Voreingenommenheit zu überwinden
Wenn man durch eigene Erfahrungen oder durch Aufklärungsarbeit darüber Bescheid weiß, dass persönliche Vorurteile zu schweren Problemen führen können, reist es sich viel leichter. Nur wenn man ganz offen und tolerant gegenüber anderen Kulturen ist, hat man die Möglichkeit, diese zu verstehen.
Daher ist es dringlich geraten, sich vorher wenigstens ein bisschen über die Gepflogenheiten und No-Gos in unseren Reiserouten zu informieren. Auch wenn es heiß ist, kleide dich entsprechend, wenn du einen Tempel oder eine Moschee besuchst. Nimm Hinweisschilder ernst und mache keine unangebrachten Bilder oder füttere keine fremden Tiere. Mache nicht ungefragt ein Foto einer einheimischen Person und versuche, Gesprächsfloskeln ernst zu nehmen.
Nur, wenn du dein Mindset derart geöffnet hast, dich entsprechend der anderen Kultur zu verhalten, ist dir die fremde Kultur zugänglich. Vielleicht steht das Volk sogar für Werte, mit denen du dich besser identifizierst als die deiner Herkunft? Du musst dich ironischerweise von deinem eigenen Background lösen.
Selbstverständlich bist du dann auch besser in der Lage, Voreingenommenheit dir gegenüber nicht ernst zu nehmen. Schließlich weißt du, dass das völlig normal ist, voreilige Schlüsse zu ziehen.
Aussagen über eigene Vorurteile sind zwar nett gemeint als Zustimmungsansatz, jedoch führen diese dazu, dass die Einheimischen in ihrer Meinung zu dir oder zu Reisenden im Allgemeinen bestätigt werden. Genau das Ergebnis, was wir nicht erzielen wollen.
Folgen
Wenn du in der Lage warst, dir deiner Vorurteile bewusst zu werden und sie zu überwinden, nimmst du sehr viel mehr mit nach Hause als die neutralen Reiseeindrücke.
Deine Einstellung zu Ausländern im eigenen Land wird sich ändern – ganz egal ob fremden Reisenden oder Immigranten gegenüber. Du wirst sie mit offeneren Armen empfangen, schließlich weißt du genau, wie sie sich fühlen müssen. Niemand möchte mit Klischees in Schubladen gesteckt werden.
Natürlich wird sich auch deine persönliche Sicht auf Rassismus ändern und das ist auch gut so! Nebenbei verbessert sich deine Empathie, deine Kommunikationsfähigkeiten und dein eigener Horizont.
Allerdings kannst du mit einem respektvollen und aufgeklärten Verhalten bei deiner Gastkultur dafür sorgen, dass sie auch Reisende mit anderen Augen sehen werden.
Denn du darfst nicht vergessen, dass die Einheimischen mindestens genauso viele Vorurteile dir gegenüber haben. Mit einem vorbildlichen und sozialen Benehmen rückst du das Bild von Reisenden in ein besseres Licht für die Backpacker, die dir folgen.
Du wirst überrascht sein, wie schnell du Leute von dir überzeugen kannst, wenn du dich entgegen jedem Vorurteil verhältst. Deutsche sind immer pünktlich und steif? Komm zu dem verabredeten Zeitpunkt einfach ein paar Minuten zu spät oder sei nicht böse, wenn dein Gegenüber sich verspätet.
Bei einem sehr lockeren Gespräch kannst du dann auch mit dem anderen Klischee brechen und dein Reisekontakt wird sich dabei ertappen, dich falsch eingeschätzt zu haben.
Fazit
Das richtige Verhalten kann helfen, Vorurteile fremder Kulturen gegenüber zu bewältigen. Eine Welt ohne Voreingenommenheit scheint schwer erreichbar und daher sollten wir mit dem Reisen versuchen, sie auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die Einheimischen werden es dir danken, die anderen Backpacker auch und im Endeffekt auch du selbst als Teil einer Gesellschaft.
Marvin Erdner