Dark Tourism in Italien – die groteskesten Reiseziele
Woran denkst du, wenn du an Italien denkst? Das Land liegt schließlich unter den Top 5 der beliebtesten Reiseziele der Welt und sogar in der Top 3, wenn man nur Europa betrachtet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass man seinen Urlaub in Italien auf verschiedenster Weise gestalten kann. Städtetrips, Strandurlaub, Fashion Shows, Dark Tourism… ja, richtig gelesen. Es gibt Orte des Dark Tourism in Italien, die du unbedingt auch mal gesehen haben solltest!
Wenn du deinen Strand- oder Städteurlaub mit ein paar außergewöhnlichen Sehenswürdigkeiten bereichern willst, solltest du dir diese Auswahl der besten Orte für Dark Tourism in Italien unbedingt durchlesen. Lass uns loslegen!
Die Bewohner Pompeji
Die antike Stadt, die 79 n. Chr. vom 18 Stunden anhaltenden Vulkanausbruch des Vesuvs zerstört wurde, gehört zu den Favoriten des Dark Tourism in Italien. Am Morgen nach dem Ausbruch stürzte damals der Kegel des Vulkans ein und eine Schlamm- und Aschelawine wurde ausgelöst. Pompeji und das Nachbardorf Herculaneum verschwanden und blieben begraben – bis sie zufällig 1738 beim Bau des Palastes von König Karl III. entdeckt wurden.
Bei ihrer Ausgrabung stellten die Archäologen fest, dass ihre Skelette von Hohlräumen in der verhärteten Asche umgeben waren. Nachdem sie diese mit Gips eingefüllt hatten, bekam die Nachwelt ein klares Bild des Aussehens, der Posen und der Kleidung der letzten Bewohner Pompejis zum Zeitpunkt ihres Todes. Beim Ausbruch des Vulkans waren ungefähr 20 000 Einwohner geflohen – von den geschätzten 2 000 Toten wurden etwa 1 150 Leichen entdeckt. Zum Beispiel suchten 13 Menschen Sicherheit in einem Obstgarten, andere neun wurden im sogenannten Mysterienvilla gefunden, dessen Dach einstürzte.
Die Gipsabgüsse sind hier in verschiedenen Anlagen verteilt. Neben den Gipsabgüssen findest du in Pompeji jedoch noch viel mehr interessante Funde, die dich näher zum Leben der antiken Römer bringt. Den Abend kannst du dann mit einer echten neapolitanischen Pizza ausklingen lassen. Klingt gut, oder?
Krypten von Santa Maria della Concezione
Wie, wir sprechen jetzt über Kirchen, obwohl es um düsteren Tourismus geht? Ja – du wirst dich wundern, wie viele religiöse Stätten in Italien richtig interessant und sogar angsteinflößend sind.
Wir befinden uns in Rom, nicht weit vom Spanischen Platz entfernt. Die Klosterkirche Santa Maria della Concezione wurde 1626 bis 1631 vom Kardinalen Antonio Barberini erbaut. So verließen Kapuziner 1631 die Kirche San Bonaventura am Trevi-Brunnen und zogen in die neu erbaute ein. Heute sind nur noch die Kirche und die Krypta erhalten geblieben. Letztere machte die Kirche bekannt und ist für diesen Artikel von Bedeutung.
Mark Twain schreib 1869 in seinem Reisetagebuch Die Arglosen im Ausland darüber. Sogar der Marquis de Sade – nach ihm wurde der Sadismus benannt! – schrieb bereits 1775, er hätte noch nie etwas Eindrucksvolleres gesehen. Mark Twain fragte einen Mönch, was nach dem Tod mit den Kapuzinern passiert. Dieser antwortete, „Wir werden am Ende alle hier liegen“. Und das tun sie! Dazu hängen sie in den Krypten auch dekorativ von der Decke.
Die Krypta von Santa Maria della Concezione haust die Skelette von rund 4 000 Kapuzinermönchen, die zwischen 1528 und 1870 gestorben sind. Beim Umzug in dem neuen Kloster wurden sie vom Kardinalen Barberi beauftragt, die Überreste der verstorbenen Mönche mitzubringen, damit sie sich möglichst am gleichen Ort befinden. Anstatt diese zu begraben, dekorierten sie damit die Wände der Krypta.
Das Ossarium enthält eine Krypta mit Schädeln, eine mit Beinknochen und eine mit Beckenknochen. Skelette wurden an den Wänden angebracht und mit Mönchskutten gekleidet. In einigen wurden mit der Einführung der Elektrizität sogar Glühbirnen eingebaut. Drumherum wurden die Knochen kunstvoll angeordnet. In einer Krypta wurde ein Skelett an die Decke gehängt und mit anderen Knochen eine Sense und eine Waage gebastelt, mit dem es ausgestattet wurde.
Die Knochen sollen die Mönche daran erinnert haben, was auf sie zukommen wird. In der Krypta gibt es nämlich auch die Inschrift „Was ihr seid, sind wir gewesen; was wir sind, werdet ihr sein“. Dieser Ort ist ein Muss für jeden, der skurrile Dinge mag! Ein weiteres Ossarium in Italien ist z. B. San Bernardino alle Ossa in Mailand.
Der Mund der Wahrheit
In Rom befindet sich vor den Toren der Basilika Santa Maria in Cosmedin der Mund der Wahrheit, der auf das 1. Jh. n. Chr. datiert wird. Dabei handelt es sich um eine große Steinscheibe mit einem menschlichen Gesicht. Darin wurden hohle Löcher für Augen und Mund eingemeißelt. Forscher streiten sich heute noch darum, wer darauf dargestellt wird und welchen Zweck sie ursprünglich erfüllte. Die beliebteste Legende jedoch besagt, dass der Mund einem Lügner die Hand abbeißt. Die Scheibe soll aus diesem Grund bei Gerichtsverhandlungen im Mittelalter verwendet worden sein.
Die Basilika bietet noch etwas anderes, was für Fans des Dark Tourism interessant sein könnte. Und zwar ruht hier in einem gläsernen Reliquienschrein ein menschlicher Schädel, der dem heiligen Valentin gehört haben soll. Doch ist es schwierig, dies nachzuweisen – es gibt nämlich einige Orte auf der Welt, an denen der Schädel des Schutzpatrons der Liebenden angeblich ruhen soll!
I Mostri di Bomarzo
Wir bleiben im Latium. In der Stadt Bomarzo, ca. 90 km entfernt von Rom, befindet sich der Monsterpark von Bomarzo. Dieser wurde 1552 vom Prinzen Pier Francesco Orsini in Auftrag gegeben und sollte seine Trauer widerspiegeln. Der Prinz kehrte nach seiner Gefangenschaft in einem Krieg nach Bomarzo zurück. Kurz darauf verstarb seine geliebte Frau, die all die Jahre auf ihn gewartet hatte.
Daraufhin entwarf der Architekt Pirro Ligorio, der zuvor den Petersdom in Rom vollendet hatte, den Monsterpark. Dieser Park im manieristischen Stil sollte seiner verstorbenen Frau gewidmet werden. Er ist gefüllt mit komischen Skulpturen aus Vulkangestein, wie zum Beispiel ein Kriegselefant, ein riesiger Fisch-Kopf, ein Riese der einen anderen Riesen in zwei reißt sowie ein schräg gebautes Haus.
Die Inschriften sind oft Rätsel und ergeben für den Betrachter keinen Sinn. Das wohl ungeheuerlichste im Park ist der riesige Kopf mit dem geöffneten Mund. Auf den Lippen der Skulptur steht „Jeder Gedanke fliegt“. Darin befindet sich ein kleiner Picknicktisch für dein Mittagessen.
Der Park ist nach dem Tod Orsinis in Vergessenheit geraten, wurde in der Mitte des 20. Jh. jedoch in einem überwucherten Wald wiederentdeckt. Sogar Salvador Dalí besuchte und liebte den Garten. Irgendwie kein Wunder! Heute ist er ein beliebtes Reiseziel des Dark Tourism in Italien und lädt zur Spekulation ein. Was hat sich der Bauherr damals wohl gedacht?
Die versunkene Stadt von Baiae
Baiae war eine Siedlung des römischen Reiches im Golf von Neapel. Heute befindet sich der Nachfolgeort Baia in der Stadt Bacoli. Damals war die Stadt u. a. für ihre Heilbäder als Kurort und für ihre Leichtlebigkeit beliebt, und sogar Kaiser hielten sich hier auf. Heute kannst du die Überbleibsel des versunkenen Las Vegas der Antike im Unterwasserarchäologiepark mit einem Boot oder Tauchgang besichtigen.
Der Unterwasserpark bietet u. a. das Nymphäum des Kaisers Claudius und eine Villa mit einer Vorhalle und Arkaden in einer Tiefe von 5 bis 7 Metern. In den Ruinen der Villa kannst du Marmorplatten, Fresken und Mosaike sehen. Die Therme mit ihren unglaublichen Mosaiken wurde erst 2020 entdeckt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Du kannst maximal 13 Meter tief tauchen und so römische Säulen, Pfeiler, eine antike Hafenanlage und Villa entdecken. Ein absolut unglaubliches Erlebnis, welches du dir nicht entgehen lassen solltest!
Die Irrenanstalt von San Servolo
Wenn du deinen Venedig-Städtetrip abseits von den üblichen Touristenströmen gestalten willst, eignet sich die kleine, unbewohnte Insel San Servolo dafür. Die Insel galt ab 1798 als psychische Anstalt der Stadt. In rund 250 Jahren wurden hier über 200 000 Patienten aufgenommen – die meisten verließen ihn nie.
2006 wurde die Anstalt als Museum über ihre Geschichte wiedereröffnet. Diese legt den Fokus auf die Segregation und Stigmatisierung der Insassen. Du kannst die Insel mit Fähre Nummer 20 erreichen und das Museumsticket kaufst du an der Rezeption des Hotels in der Nähe.
Galileo Galileis Mittelfinger
Eine weitere ziemlich skurrile Sehenswürdigkeit befindet sich im Galileo Museum in Florenz.
Galileos Mittelfinger wurde 1737, 95 Jahre nach seinem Tod, von seinem Körper entfernt. Nachdem er für mehrere hundert Jahre weitergegeben wurde, kam er letztendlich ins Museum. Dort wird er wie ein heiliges Relikt in einem Schrein aufbewahrt – obwohl er einst einem Ketzer gehörte!
Das Museum beherbergt zudem weitere zwei Finger und ein Zahn, die 100 Jahre verloren waren.
Die Geisterstadt Craco
Ungefähr 60 km von den berühmten Sassi, die Höhlensiedlungen der Altstadt Materas, bietet die süditalienische Region Basilikata eine Geisterstadt, die als Spot für den Dark Tourism in Italien nicht so bekannt ist.
Craco wurde bereits von den antiken Griechen besiedelt und hat eine sehr lange Stadtgeschichte von feudalem System bis hin zur Königsherrschaft und Napoleons Besatzung. Die Bevölkerung musste viele Schicksalsschläge erleiden, wie unter anderem die Pest und eine Hungersnot. Darüber hinaus plünderten 1807 Räuber die Stadt, die dabei französische Einwohner töteten. Nach der Einigung Italiens wurde sie von den Räubern erobert und ein Bürgerkrieg brach aus, der zu ökologischen Problemen und letztendlich zur Migration vieler nach Nordamerika führte.
Dass die Siedlung auf einer steilen Klippe 400 m über dem Boden steht, führt auch noch zum Risiko von Erdbeben und Erdrutschen. Und genau letztere waren es, die Craco nahezu zerstörten und letztendlich 1963 die Evakuierung der Bewohner notwendig machte. Die Stadt ist nun seit 1980 aufgegeben, du kannst sie aber mit einer geführten Tour besichtigen.
Fazit
Italien hat, wie du siehst, nicht nur Kunst, Kultur und Religion zu bieten! Manchmal werden die Aspekte auch verbunden und so zu skurrilen Reisezielen, die den Dark Tourism in Italien interessant gestalten. Denn dieser ist zum größten Teil gekennzeichnet von künstlerischen Attraktionen sowie solche, die an italienischen Kriegen oder an religiöse Personen erinnern. Und das Beste daran: Zu den meisten Orten gelangst du ganz einfach, sodass du deine Städtetrips damit noch spannender gestalten kannst. Wir wünschen dir viel Spaß bei der Urlaubsplanung!
Am besten liest du dir davor noch unseren Klimaleitfaden durch und lässt dich von den „normalen“ Sehenswürdigkeiten abseits des Dark Tourism inspirieren.
Amina Rigotti