Backpacken in schwindelerregender Höhe
Die Anden sind wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man bekommt. Die Freunde von einzigartiger Natur werden hier ebenso in eine komplett andere Welt abtauchen wie Kulturinteressierte und Outdoorsportler. Das Gebirge besticht durch eine einmalige Schönheit sowie ein immenses Facettenreichtum.
Keinem anderen Hochgebirge der Welt gelingt es so bunt und majestätisch verschiedene Klima- und Landschaftszonen miteinander zu vereinen. Außerdem machen die tierischen und historischen Bewohner das Gebirge zu einem geschichtsträchtigen Ort voller Mythen und Sagen. Daher ist die gesamte Region ein absolutes Muss für jeden Backpacker.
Die Anden sind 3,3 Millionen Quadratkilometer groß. Als kleiner Vergleich: Das ist fünfmal so viel wie das Himalaya-Gebirge, dreimal so groß wie die Rocky Mountains und 13-mal so groß wie die Alpen. Sieben Länder, drei Zeitzonen und ganze 51 Berge über 6000 Meter – die immense Größe des Gebirges ist nur sehr schwer vorstellbar.
Doch auch für die Wandermuffel sind die Anden bestens als Reiseziel geeignet, denn viele Regionen und Großstädte liegen zwar weit über dem Meeresspiegel, allerdings auf einem Plateau. Daher fühlt es sich nicht wirklich bergig an, wenn man durch diese Gebiete reist. Wir zeigen dir die Vielzahl an Travel-Möglichkeiten.
Die Anden als Reiseziel
Die Anden sind ein Gebirge der Extraklasse. Jedes westliche Land in Südamerika besitzt einen Anteil der Hochgebirgskette, die sich vom chilenischen Feuerland bis nach Kolumbien zieht. Dabei zeigen sie sich mit sehr verschiedenen Formen und Farben – von schneebedeckten Gletschergipfeln über subtropische Waldlandschaften bis hin zu Salzwüsten mit roten oder gelben Gesteinsformationen.
Du kannst deine Abenteuerreise durch das Hochgebirge praktisch von überall beginnen: Caracas in Venezuela, in Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile oder Argentinien. Jedes dieser Länder hat mindestens einen internationalen Flughafen und dem Busnetz können die krassen Höhenunterschiede auch nichts anhaben.
Die Locals selbst nennen das Gebirge übrigens La Cordillera (de los Andes). Die übergeordnete Bergkette, die Amerikanischen Kordilleren, zieht sich dann als Rocky Mountains hoch bis Alaska.
Aufgrund des Zusammentreffens der Nazca-Platte im Pazifik und der Südamerikanischen Erdplatte konnte die Landschaft hier über Jahrtausende wachsen und die pompöse, heutige Gestalt annehmen. Von unten drücken dann wiederum die Scotiaplatte und die Antarktische Platte, von oben die Karibische Platte. Daher zählt das Gebirge zu einem Faltengebirge innerhalb des Pazifischen Feuerrings.
Doch die unzähligen Vulkane sind weit nicht alles, was du in dieser Region entdecken kannst. Neben einzigartigen indigenen Kulturen wie den Inka und den Mapuche sind auch viele Millionenstädte zwischen den Bergen gebettet. Außerdem lockt der weltweit größte Salzsee in der Hochebene der Anden jedes Jahr Millionen von Reisenden an.
Feurige Vulkanketten
Wenn du sowieso der Wandertyp bist, wirst du in den Anden komplett auf deine Kosten kommen. Die meisten Gipfel sind Vulkane, von denen viele (aber nicht alle) längst erloschen sind und unbedenklich bestiegen werden können. Natürlich ist eine Bergbesteigung auch hier in Südamerika ein schwieriges Unterfangen und du solltest dich ausreichend dafür vorbereiten und einheimische Hilfe in Anspruch nehmen.
Für viele Reisende wird es schon mehr als genug sein, die atemberaubenden Gipfel einfach nur mit eigenen Augen zu sehen. Besonders in den Städten Bogotá (Kolumbien) und Quito (Ecuador) ist das Stadtbild stark von den umliegenden Bergketten gekennzeichnet. Nicht besonders weit weg liegen hier in den nördlichen Anden sehr viele Vulkane wie der Cotopaxi (Ecuador), der Nevado del Huila (Kolumbien), der Tungurahua (Ecuador), der Pichincha (Ecuador), Sajama (Bolivien) oder der Chimborazo (Ecuador).
Viele der Vulkane sind vergletschert und gehören zu den höchsten Berggipfeln außerhalb des Himalayas. Allerdings lassen sich auch Berge nicht vulkanischen Ursprungs finden: Nevado Huascarán (Peru), Alpamayo (Peru), Nevado Illimani (Ecuador), Huayna Potosí (Bolivien) und Nevado Yerupajá (Peru).
Das Gebiet der Inka
Denkt man an die Anden, denkt man auch schnell an das indigene Volk der Inka. Die Stämme besiedelten zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert besonders die Region in Ecuador, Peru, Bolivien, Chile und Argentinien. Neben dem weltberühmten Machu Picchu gibt es jede Menge Ruinen und Sehenswürdigkeiten der präkolumbianischen Kultur in Peru.
Während du also durch die zentralen Anden reist, kannst du nicht nur die majestätischen Berggipfel mit einer einzigartigen Natur, sondern auch die Kultur der Inka bestaunen. Hier lohnt sich der Blick auf Alternativen zum Machu Picchu und den Inka-Terrassen bei Pisac – viele Inkastätten kannst du auch abseits der Touristenmassen besuchen.
Besonders faszinierend ist die Artenvielfalt der Tierwelt. Mit etwas Glück kannst du alle vier Gattungen der Lamas zu Gesicht bekommen. Das normale Lama, das Alpaka, das Guanako und das Vikunja. Die Arten entstanden, als die Inka das ungezähmte Urlama domestizierten und als Nutztier hielten. Ansonsten kreisen auch viele Kondore über die bergige Landschaft und in den Wäldern schleicht der Andenschakal, der Brillenbär, der Pudu und der Andenhirsch.
Außerdem wird dich das Wetter auch in seinen Bann ziehen: Oftmals werden Berge und Ruinen in einen Nebel gehüllt, was dann wiederum eine ganz mystische Atmosphäre schafft.
Die andine Hochebene
Kaum zu glauben, dass man in Bolivien immer noch mitten in den Anden ist. Das ganze Land scheint eine einzige Hochebene zu sein, weswegen der Name Altiplano auch echt naheliegt. Der Binnenstaat kann trotzdem viele Rekorde verbuchen: La Paz ist der höchstgelegene Regierungssitz der Welt, Sucre ist die höchste Hauptstadt und Potosí ist die Großstadt, die weltweit am höchstgelegenen ist.
Speziell im Salar de Uyuni wird die beachtliche Ausbreitung der Region am deutlichsten: Der größte Salzsee der Welt lässt sehr viele Touristen jedes Jahr staunen. Umgeben von vielen Lagunen, Gesteinsformationen und der Salvador-Dalí-Wüste zeigen sich die Anden hier von ihrer trostlosen und verlassenen Seite.
Hier solltest du dich auf absolut ungemütliche Temperaturen einstellen, denn in der Nacht klettert das Thermometer durch die Höhe und das Wüstenklima jenseits des Nullpunkts. Tagsüber scheint sehr viel die Sonne und durch die Höhe solltest du unbedingt auf Schutz achten, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. In der Regenzeit gibt es dann derart viel Niederschlag, dass der Salzsee ein riesiger Spiegel wird und die Sonne noch stärker reflektiert.
Naturspektakel der Extraklasse
Chile an sich ist schon ein sehr besonderes Land – sehr lang und sehr schmal erstreckt sich der Staat entlang der Pazifikküste von sehr nassen Klimazonen bis Atacama, der trockensten Wüste der Welt. Dabei wird die Hälfte der Breite durch die Anden bestimmt und praktisch jede Grenze zum benachbarten Argentinien liegt mitten in dem Hochgebirge. Als Tor zu Patagonien sind Punta Arenas im Feuerland und Puerto Montt deine Anlaufstellen, um hier das Gebiet zu verlassen.
Die besten Erfahrungen kannst du im kleinen Örtchen Pucón machen, das nur etwa zwei Stunden von Temuco entfernt ist. Hier hast du die Möglichkeit, im Lago Villarrica zu segeln oder zu raften, den Eisvulkan Volcán Villarrica zu besteigen oder einen der zig hundert Wasserfälle zu entdecken.
Dabei ist der Ort an sich ein wahres Eldorado für wahre Backpacker, denn hier findest du viele Hostels, Reiseagenturen und Supermärkte und der Tourismus boomt. Ganz besonders die Besteigung des Eisvulkans von zirka fünf Stunden ist einmalig. Denn nach Erreichen des Gipfels schlitterst du in einem Rodel den Berg wieder herunter – eine echte Gaudi!
Bergbesteigungen in Patagonien
Allerdings kannst du die Anden auch bei deiner Reise durch Argentinien bestaunen. Hier thront der höchste Gipfel des gesamten Gebirges, der Aconcagua, 6961 Meter über allen anderen Bergen. Bei dem Grenzübertritt von Chile und Argentinien fährst du ganz automatisch an dem Gesteinskoloss vorbei.
Die Herkunft des Namens ist übrigens unklar. Entweder wurde die Bedeutung „steinerner Wächter“ aus der Sprache Mapudungun in die Quechua-Sprache übernommen oder der Name kommt aus der Sprache des Aymarávolkes und heißt übersetzt „Schneeberg“. Viele Locals nennen ihn schlicht El Volcano (der Vulkan), schließlich gibt es für ihn auch keine Konkurrenz.
Auch der bekannte Cerro Torre befindet sich im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile. Vielleicht interessiert dich ein Besuch in der argentinischen Stadt Bariloche. Hier denkst du, du wärst mitten in den Schweizer Alpen gelandet: Alpine Blockhütten, belgische Pralinengeschäfte und sogar ein kleines Skigebiet für den Schnee im Winter. Auch die Souvenirs erinnern eher an Mitteleuropa als an Lateinamerika. Aber trotzdem ist die Kulisse mit den Gipfeln und den Bergseen mehr als sehenswert.
Die südlichen Anden eignen sich besonders gut zum Wandern. Hier findest du auch sehr viele Nationalparks und Wanderrouten vor, um das argentinische Patagonien und das chilenische Feuerland zu entdecken. Jedoch ist die Region wahrscheinlich eher den Naturburschen und Sportskanonen zu empfehlen. Allen Strapazen zum Trotz besticht die Region durch sein üppiges Grün, gemäßigte Temperaturen und eben den wahnsinnigen Ausblicken auf und zwischen den Gipfeln.
Fazit
Angefangen im hohen Norden des Kontinents beherbergt die Bergkette Millionen von Einwohnern, allerdings auch menschenleere Vulkangipfel und Hochebenen. Das faszinierende Gebiet der Inka zeigt sich dann von seiner grünen und magischen Seite, während Chile und Argentinien im Süden wieder viele Gipfel zur Erklimmung anbieten. Hier kannst du alle möglichen Outdoor-Sportarten im Sommer und im Winter wahrnehmen, traumhaft wandern und wieder einmal die Natur bestaunen.
Marvin Erdner