Toleranz statt Vorurteile − wie Reisen dabei hilft

Toleranz statt Vorurteile – wie Reisen dabei hilft

Was gefällt dir persönlich am Reisen am besten? Wenn einen einmal das Reisefieber gepackt hat, lässt es einen so schnell nicht wieder los. Neue Städte erkunden, der Ausbruch aus dem Alltag, ein Gefühl von Abenteuer und Freiheit – das gehört natürlich alles dazu. Auch Sonne, Strände und atemberaubende Landschaften sorgen dafür, dass du jedes Mal eigentlich sofort einen neuen Trip starten willst, sobald du wieder nach Hause kommst.

Vermutlich hat deine Begeisterung aber auch sehr viel mit den Menschen zu tun, die du auf deinen Reisen triffst. Andere Kulturen und neue Sprachen kennenzulernen ist eine Faszination an sich.

Viele Reisende erzählen, dass sie durch die Begegnung mit anderen Kulturen offener geworden sind und Vorurteile abbauen konnten. Denn das Gefühl, in einem fremden Land mit offenen Armen empfangen worden zu sein, vergisst man nicht so schnell wieder.

Und diese Offenheit als wichtigstes Souvenir mit nach Hause nehmen zu können, ist etwas ganz Wertvolles.

Aber nicht nur gegenüber anderen Kulturen oder Religionen wird man durch das Reisen toleranter. Reisen hilft dabei, auch generell gegenüber anderen Menschen offener zu werden.

Mit jeder Begegnung legt man neue Vorurteile gegenüber bestimmten Personen, Meinungen oder Lebensstilen ab. Weil man gerade beim Reisen oft die interessantesten Menschen trifft, die in keine Schublade so wirklich passen.

Warum auf Reisen?

Klar, interessante Menschen trifft man nicht nur auf Reisen. Und vor allem an Touristen-Hotspots oder bekannten Backpacker-Routen bekommt man oft das Gefühl, dass man überall im Grunde nur andere Versionen der immer gleichen Leute trifft.

Und auch zuhause gibt es ja eigentlich genug Leute, die andere Meinungen vertreten. Nur kommt man mit denen meistens nicht so leicht in Kontakt. Und das eigene soziale Umfeld ist einem selbst oft doch sehr ähnlich.

Auf Reisen hingegen trifft man zwangsläufig eine große Anzahl an Menschen. Ob in Hostels oder auf einer Tour, überall kommt man ganz leicht mit neuen Leuten ins Gespräch. Die gemeinsamen Erlebnisse und der Wunsch nach Anschluss – schließlich ist man nicht nur weit weg von zuhause, sondern vielleicht auch alleine unterwegs! – sorgen dafür, dass man sich viel schneller anfreundet als zuhause.

Wenn man dann nach einiger Zeit das Gebiet des Smalltalks verlässt und zu anderen Gesprächsthemen übergeht, ist es manchmal überraschend, wenn der Gesprächspartner ganz andere Ansichten vertritt als man selbst.

Denn meistens begegnet man solchen Meinungen nur in sozialen Netzwerken und nicht im realen Leben. Und das ist etwas vollkommen anderes. Denn so lernt man zuerst den Menschen hinter dieser Meinung kennen. Du hast vielleicht schon ein paar coole Tage im selben Hostel gewohnt oder ein paar Ausflüge gemeinsam gemacht.

Und dann ist es plötzlich nicht so einfach, den anderen vorschnell als ungebildet oder einfältig abzuschreiben. Auch wenn eine Meinung vertreten wird, die die meisten eher als realitätsfern bezeichnen würden.

So treffen sich in Hostels Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sitzen zusammen beim Frühstück. Und man hört Diskussionen zwischen amerikanischen Backpackern, von denen die eine ein Waffennarr ist und der andere sich für die Verschärfung der Waffengesetze einsetzt. Oder ein Umweltaktivist unterhält sich mit Mitarbeitern eines großen Ölkonzerns über ihre Arbeit und ihre Einstellung zu dem, was sie tun – und das vollkommen friedlich.

Natürlich könnten alle diese Gespräche auch im eigenen Land stattfinden. Allerdings bieten Reisen die idealen Voraussetzungen für solche Zusammentreffen.

Ein Blick über den Tellerrand

Denn auf Reisen gerät man viel eher an Personen, die nicht das eigene Weltbild teilen und oft werden Meinungen oder Einstellungen anders bewertet und zugeordnet, als man es von zuhause gewöhnt ist. Generell ist man auf Reisen auch einfach offener und lässt sich eher auf Diskussionen ein, da beide Seiten einfach neugierig auf ihr Gegenüber sind.

Und wenn es um politische Konflikte zwischen verschiedenen Ländern geht, wird eine Begegnung erst durch Reisen möglich.

Manche dieser Begegnungen sind sogar inspirierend und geben einem Hoffnung. Vor ein paar Jahren war ich mit ein paar anderen auf einem Tagesausflug unterwegs: ein Ägypter, eine israelische Familie und ich, eine Deutsche. Natürlich lassen sich in dieser Konstellation politische Diskussionen irgendwann nicht mehr vermeiden.

Was mich aber so fasziniert hat, war, wie freundschaftlich diese Gespräche geführt wurden, obwohl sich die Gesprächspartner in so gut wie keinem Punkt einig werden konnten. Und wie leicht wir dann von einem ernsten Thema wieder zu etwas Alltäglichem wechseln konnten, ohne dass die kameradschaftliche Stimmung sich verändert hätte.

Gegen Ende des Trips stellten wir auch gemeinsam fest, wie schön es ist, dass wir alle trotz Differenzen und geschichtlicher Hintergründe einen so tollen Tag in Freundschaft miteinander verbringen konnten.

Denn wenn man von politischen Konflikten hört, vergisst man oft, dass auf der anderen Seite auch nur Menschen stehen, mit denen man sich eigentlich sehr gut verstehen würde.

Reisen erinnert einen daran.

Natürlich sind nicht alle dieser Begegnungen positiv. Einige sind im besten Fall absurd, manche aber auch einfach unangenehm. Vor allem bei Meinungen, die längst wissenschaftlich widerlegte Thesen vertreten, weiß man oft nicht genau, wie man darauf reagieren soll.

Manchmal sieht man aber auch, wie diese Themen sogar verbindend wirken können und zu den unwahrscheinlichsten Freundschaften führen.

Und auch hier ist es faszinierend, über diese Meinungen für eine Weile hinwegzusehen und den Menschen selbst kennenzulernen. Ein weiterer Vorteil auf Reisen ist ja, dass die meisten Kontakte auf bestimmte Zeit beschränkt sind und man sich früher oder später wieder aus den Augen verliert. Auch dies hilft dabei, toleranter gegenüber anderen zu sein.

Wenn die Meinungen tatsächlich diskriminierend sind, ist es schwerer, darüber hinwegzusehen. Aber auch diese Begegnungen helfen dabei, die eigenen Ansichten zu überprüfen und zu festigen.

Auch ist es wichtig, nicht vor Diskussionen zurückzuschrecken. Denn auch andere sind beim Reisen oft offener für Gegenargumente oder andere Ansichten, als sie es in ihrem gewohnten Umfeld wären.

Manchmal sitzt man eben stundenlang am Lagerfeuer und erklärt, warum es wichtig ist, wie man andere Menschen bezeichnet. Aber wenn sich das Gegenüber dann einsichtig zeigt, hat man das Gefühl, doch etwas erreicht zu haben. Im Normalfall geht es aber gar nicht darum, den anderen von etwas zu überzeugen. Sondern darum, sich gegenseitig zuzuhören und etwas über die Lebensrealität des anderen zu erfahren.

Immer wieder zeigen sich so die verschiedenen Wirklichkeiten von Menschen und mit welchen Hindernissen und Problemen sie jeweilig zu kämpfen haben. Man trifft Beduinenfrauen, denen es nicht einmal erlaubt ist, auf die Straße zu gehen, die aber hinter verschlossenen Türen mit ihren Freundinnen ausgelassene Bauchtanz-Partys feiern. Reiche Geschäftsmänner, ehemalige Hubschrauber-Kampfpiloten, Instagram-Queens, die schon als Teenager für ihre jüngeren Geschwister sorgen mussten, Analphabeten und Leute, die gerade aus dem Gefängnis entlassen wurden.

Mit all den verschiedenen Hintergründen und Erfahrungen, wie sollten sie auch alle einer Meinung sein?

Alternative Lebenswege und Mut zur Lücke

Natürlich nimmt man von diesen Begegnungen noch viel mehr mit außer unterhaltsamen Anekdoten. Denn wenn man mit anderen ins Gespräch kommt, sieht man auch schnell, dass Lebensläufe nur selten wirklich geradlinig sind. Von Umwegen, Fehltritten und Neuanfängen zu hören, kann sehr beruhigend sein. Vor allem, wenn man sich selbst noch nicht ganz sicher ist, wo man eigentlich hingehört.

Von den Erfahrungen anderer Menschen zu hören, zeigt Alternativen auf und hilft, nachsichtiger mit sich selbst zu sein. Man lernt, dass jeder seine eigenen Vorstellungen und Prioritäten hat und es nicht den einen vorgegebenen Weg gibt, dem jeder folgen sollte.

Die wichtigste Erkenntnis ist aber, dass die Menschen überall und abhängig von Kultur oder persönlichen Hintergründen im Grunde gar nicht so verschieden sind.

Aber sie sind fast immer anders, als man es erwartet hätte und die Klischees oder Vorurteile, die man so hat, treffen so gut wie nie zu. Man bildet sich so leicht eine Meinung über andere und verurteilt sie. Bis man sie tatsächlich kennenlernt.

Denn Lagerdenken, Vorurteile und Schubladen, sind nicht nur schädlich, sondern haben auch einfach mit der Realität wenig zu tun.

Reisen erweitert den Horizont, in jeder Hinsicht. Und es ist nicht die einzige Art und Weise, wie man lernen kann, anderen Menschen offener und toleranter zu begegnen. Aber es ist mit Sicherheit die schönste.

Nina Lang

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