Die Welt bereisen bedeutet für viele mehr als nur das Besichtigen von Sehenswürdigkeiten. Es ist eine Suche nach neuen Erfahrungen, nach persönlichem Wachstum und dem tiefen Eintauchen in fremde Kulturen. Eine besonders intensive Form dieser Auseinandersetzung bietet die Kombination aus Backpacking und dem Erlernen einer lokalen Kampfkunst. Hierbei geht es nicht um die Vorbereitung auf einen Wettkampf, sondern um das Verständnis für Tradition, Disziplin und die eigene körperliche und geistige Belastbarkeit. Eine Reise zu den Wurzeln einer Kampfkunst ist zugleich eine Reise zu sich selbst.
Quelle: Foto von Thao LEE
Thailand – Im Ring des Tigers
Auf einer Reise durch Hessen ist der Besuch von einem Kampfsportkurs während des Frankfurt-Aufenthalts interessant. Thailand ist jedoch das unbestrittene Mekka für Anhänger des Muay Thai. Diese Kampfkunst, auch als die „Kunst der acht Gliedmaßen“ bekannt, ist tief in der thailändischen Kultur und Geschichte verwurzelt. Überall im Land finden sich Camps, die sich auf ausländische Schüler spezialisiert haben.
Während Phuket für seine touristisch geprägten und oft hochpreisigen Schulen bekannt ist, bietet der Norden um Chiang Mai authentischere und ruhigere Trainingsmöglichkeiten. Einsteiger sollten auf qualifizierte Trainer und eine gute Hygiene im Camp achten. Das Training ist intensiv und schweißtreibend. Es vermittelt neben den Techniken vor allem Respekt und mentale Stärke. Man lernt schnell, dass Muay Thai weit mehr als ein brutaler Sport ist; es ist eine Lebensphilosophie.
Vietnam – Die stille Kraft des Vovinam
Weniger bekannt als Muay Thai, aber nicht minder faszinierend, ist Vovinam, die moderne Kampfkunst Vietnams. Entwickelt im 20. Jahrhundert, basiert sie auf dem Prinzip der Harmonie zwischen hart und weich. Trainiert wird barfuß in blauen Anzügen, den Võ Phục. Vovinam kombiniert kraftvolle Tritte und Schläge mit Hebeln, Würfen und akrobatischen Scherentritten.
Wer in die Welt des Vovinam eintauchen möchte, findet in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt entsprechende Schulen, die oft auch Anfänger willkommen heißen. Die Kommunikation kann eine Hürde sein, doch die Trainer vermitteln die Techniken mit Geduld und Körpersprache. Die Beschäftigung mit Vovinam öffnet ein Fenster zur vietnamesischen Seele, die von Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit geprägt ist.
Brasilien – Tanz und Kampf im Rhythmus der Berimbau
An den Stränden und auf den Plätzen von Salvador da Bahia pulsiert das Leben im Rhythmus der Capoeira. Diese afro-brasilianische Kampfkunst verbindet auf einzigartige Weise Kampf, Tanz, Akrobatik und Musik. Entstanden aus dem Widerstand versklavter Afrikaner, ist Capoeira heute ein Ausdruck von Freiheit und Gemeinschaft. Im Zentrum steht die Roda, ein Kreis aus Menschen, in dem zwei Capoeiristas ihr Können demonstrieren.
Die Musik des Berimbau-Bogens gibt den Takt und die Art des Spiels vor. Überall in Brasilien gibt es Akademien, doch die authentischste Erfahrung macht man in Bahia. Anfänger lernen die grundlegenden Bewegungen wie die Ginga und einfache Tritte. Dabei geht es weniger um den Sieg über den anderen als um einen fließenden Dialog der Körper.
Japan – Auf den Spuren der alten Meister
Eine Reise nach Japan bietet die Möglichkeit, Kampfkünste wie Karate oder Judo an ihrem Ursprungsort zu erleben. Hier steht nicht die reine Selbstverteidigung im Vordergrund, sondern der Weg (Dō), die Perfektionierung des Charakters durch Disziplin und ständige Wiederholung. Ein Training in einem traditionellen Dōjō ist eine tiefgreifende kulturelle Erfahrung. Die Etikette ist streng, Respekt vor dem Meister (Sensei) und den Mitschülern ist das oberste Gebot.
Besonders Okinawa gilt als die Wiege des Karate und beherbergt zahlreiche renommierte Schulen. Wer sich auf diese Erfahrung einlässt, muss bereit sein, sich unterzuordnen und die eigene Komfortzone weit hinter sich zu lassen. Die Belohnung ist ein Einblick in die japanische Kultur, der gewöhnlichen Touristen verwehrt bleibt.
Costa Rica – Selbstverteidigung im Tropenparadies
Costa Rica, das für sein „Pura Vida“-Lebensgefühl und seine atemberaubende Natur bekannt ist, mag auf den ersten Blick wie eine ungewöhnliche Wahl erscheinen. Doch gerade hier hat sich eine moderne und pragmatische Herangehensweise an die Selbstverteidigung etabliert. Zahlreiche Camps, oft von Auswanderern geführt, bieten Kurse in Krav Maga an. Diese aus Israel stammende Methode konzentriert sich auf die effektive Abwehr realer Bedrohungen.
Das Training findet häufig in offener, naturnaher Umgebung statt und lässt sich ideal mit Yoga, Surfen und der Erkundung der Nationalparks verbinden. Es spricht Reisende an, die ihre körperliche Fitness verbessern und gleichzeitig praktische Fähigkeiten für mehr Selbstsicherheit erlernen möchten, ohne sich jahrelang einer traditionellen Kampfkunst verschreiben zu müssen.
Eine Rucksackreise mit dem Fokus auf Kampfsport ist eine Investition in die eigene Entwicklung. Sie schult den Körper, schärft den Geist und fördert ein tiefes Verständnis für das Gastland. Man kehrt nicht nur mit Souvenirs und Fotos zurück, sondern mit neuen Fähigkeiten, einem gestärkten Selbstbewusstsein und der Erkenntnis, dass wahre Stärke in Disziplin und Respekt liegt.




