Dark Tourism in Frankreich
Als Dark Tourist bist du auf der Suche nach Orten mit einer düsteren Vergangenheit und willst die dortige Atmosphäre erleben. Obwohl Frankreich bei vielen eigentlich für die sonnige Côte d’Azur, die romantischen Lavendelfelder der Provence oder den Pariser Eiffelturm steht, kann das Land auch für Begeisterte des Dark Tourism interessant sein. Immerhin war es Schauplatz von zwei Weltkriegen und brachte in einer der blutigsten Revolutionen der Geschichte die Guillotine hervor.
Falls du noch gar nicht weißt, was Dark Tourism eigentlich ausmacht und warum es so beliebt ist, kannst du dich gerne hier eingehender informieren. Wenn du die etwas düstereren Seiten Frankreichs kennenlernen möchtest, dann lies unbedingt weiter.
Verdun
Verdun liegt an der Meuse im Nordosten Frankreichs und wurde durch die berüchtigte Schlacht um Verdun bekannt. Die Kämpfe zwischen den französischen und den deutschen Truppen begannen im Februar 1916, hielten über 300 Tage bis zum Dezember an und sorgten für schwere Zerstörungen in den Dörfern und deren Umland, die du heute noch ausmachen kannst. Über 2,5 Millionen Soldaten kämpften in den Schützengräben, die regelmäßig durch Regenfälle mit Schlamm überflutet wurden. Aufgrund vernichteter deutscher Militärunterlagen ist die genaue Zahl der Opfer nicht bekannt, aber sie wird auf 700.000 geschätzt (davon 305.000 Tote und Vermisste). Die 50 Millionen Wurfminen und Artilleriegranaten haben die Landschaft nachhaltend gezeichnet: Im Erdboden sind unter anderem Gewehre, Helme, Blindgänger und menschliche Knochen verborgen.
Ein weiterer Kriegsschauplatz befindet sich fast 300 km weiter nördlich: Hier fand die Schlacht an der Somme statt, die verlustreichste Schlacht des Ersten Weltkrieges. Etwa eine Million Soldaten ließen hier ihr Leben und insgesamt 3 Millionen waren im Gefecht eingesetzt.
J. R. R. Tolkien, der Autor der Herr der Ringe-Trilogie, kämpfte in der Schlacht an der Somme auf der Seite der Alliierten. Diese Erfahrung war maßgeblich für seine literarischen Grundthemen (Gut gegen Böse) verantwortlich.
An beiden Orten wurden Museen, eröffnet und Denkmäler gesetzt, die an die Opfer des Krieges erinnern sollen: Das Mémorial de Verdun – Champ de Bataille und das Thiepval Museum. Es gibt hier auch teilweise Zone Rouge oder „rote Zonen“, die du aufgrund von Munitions- oder Giftresten im Boden nicht betreten darfst.
Le Manoir de Paris
Bei Le Manoir de Paris handelt es sich um eine Attraktion, die vermutlich nicht ganz so schwer im Magen liegt. Unter den Dark Tourism Spots zählt sie zu den „helleren“ Fun Factories, da es sich hierbei um ein Gruselkabinett handelt, das sich in einer verlassenen psychiatrischen Anstalt befindet. Schauspieler und Schauspielerinnen erwecken gruselige Pariser Legenden zum Leben und versuchen, dich auf deinem Rundgang durch das Haus zu erschrecken. Falls dir nach schaurigen Überraschungen und einer Portion Gänsehaut zumute ist, solltest du hier vorbei kommen. Trau dich!
Fragonard Museum
Das wenig bekannte Fragonard Museum liegt ebenfalls in Paris und gehört zur tierärztlichen Hochschule Ecole nationale veterinaire d’Alfort (ENVA). 1766 wurde es errichtet und gehört somit zu den ältesten Museen Frankreichs. Beim Fragonard Museum handelt es sich um ein medizinisch-anatomisches Museum, in dem konservierte Leichen von Tieren (aber auch Menschen) ausgestellt sind. Dementsprechend könnte es ebenfalls für Dark Tourists interessant sein.
Katakomben von Paris
Bei einer Liste über Dark Tourism in Frankreich dürfen die Katakomben von Paris natürlich nicht vergessen werden. Ursprünglich handelte es sich dabei um Bergstollen, die zur Abtragung von Stein, Gips und Ton in einer Tiefe von bis zu 35 m angelegt wurden und unter jedem Stadtteil zu finden sind. Die Hohlräume haben vielerorts Straßen und Häuser zum Einsturz gebracht, sodass die Steinbrüche stillgelegt wurden. Gegen Ende des 18. Jahrhundert sorgten das Bevölkerungswachstum und die Überfüllung der Friedhöfe dafür, dass die verwesenden Körper verstorbener Personen exhumiert und in den stillgelegten Tunneln untergebracht wurden.
1809 wurden aufgrund von Platzmangel weitere Friedhöfe geleert und die Leichen in die Katakomben gebracht. Dort haben Totengräber die Schädel und Gebeine in dekorativer Art aufgeschichtet und mit Gedenktafeln und Holzkreuzen ausgestattet. Seitdem sind einige Tunnel für die Öffentlichkeit zugänglich. Der offizielle Eingang zu den Katakomben befindet sich am ehemaligen Haupteingang zu den Steinbrüchen und wird Barrière d’enfer („Schranke der Hölle“) genannt. Dark Tourists können hier eine Führung durch den zugänglichen Teil der Katakomben unternehmen. Wenn du dich also die Stufen in die teils engen Tunnel hinab wagen willst, solltest du darauf achten, dich respektvoll und vorsichtig zu verhalten – es handelt sich immer noch um eine Grabstätte.
Friedhof von Père Lachaise
Wo wir gerade bei Grabstätten sind: Der Friedhof von Père Lachaise ist mit 44 Hektar der größte Friedhof von Paris und gleichzeitig der erste Friedhof, der noch dazu als Park fungiert. Er beherbergt bisher etwa eine Million Verstorbene, darunter auch einige Berühmtheiten, wie z. B. Jim Morrison, Frédéric Chopin und Édith Piaf. Freunde des Dark Tourism können hier zwischen offenen Mausoleen und verlassenen Gräbern den Tod konfrontieren oder auch einer Friedhofführung teilnehmen, um über die Hintergründe des Ortes aufgeklärt zu werden. Du kannst auch einfach Eindrücke sammeln und die Atmosphäre auf dich wirken lassen. Außerdem ranken dich diverse Legenden um den Friedhof. So soll er von Vampiren heimgesucht sein.
Bête du Gévaudan (Bestie des Gévaudan)
Im südfranzösischen Gévaudan verbreitete ein gefährliches Raubtier zwischen 1764 und 1767 Angst und Schrecken. Die Bestiedes Gévaudan tötete und verschlang etwa 100 Kinder, Jugendliche und Frauen und erregte in ganz Frankreich für Aufsehen. Seine Opfer starben an schweren Bisswunden, die zum Teil zu ihrer Enthauptung führten. Hirtenkinder waren auch in Gruppen nicht sicher und Jäger konnten das Tier nicht ausfindig machen. Nach drei Jahren des Entsetzens, 100 Toten und 120 Verletzen schaffte es ein einheimischer Jäger, das Tier zu erlegen, in dessen Magen sich der Oberschenkelknochen eines Kindes befand. Es war größer als ein Wolf mit rötlichem Fell und einem buschigen Schwanz und beschwor zahlreiche Gerüchte herauf, dass es sich um Werwolf handelte oder ein anderes Ungeheuer, das die Apokalypse einläuten sollte.Das Fantastische Museum der Bestie von Gévaudan in Saugues bringt die Legenden und tatsächlichen Ereignisse in die Gegenwart. Bist du neugierig?
Oradour sur Glane
Ungefähr 200 km nordöstlich von Bordeaux liegt die kleine Gemeinde Oradour sur Glane, die wegen eines Kriegsverbrechens der Waffen-SS traurige Berühmtheit erlangte: 1944 löschten etwa 150 deutsche Soldaten die Gemeinde nahezu komplett aus, indem sie die Männer erschossen und die Frauen und Kinder in der Dorfkirche verbrannten. Mit 642 Opfern gilt das Massaker von Oradour-sur-Glane als eines der verheerendsten Massaker Westeuropas. Da von dem Ort nicht mehr viel übrig war, wurde es wenige Kilometer weiter wiederaufgebaut. Der Cimetière d’Oradour-sur-Glane ist die einzige Infrastruktur, die die Zerstörungsgewalt der Waffen-SS überstanden hat und liegt zwischen der alten und neuen Ortschaft.
Der Friedhof ist ein nationales, historisches Denkmal, erinnert aber zugleich an die Ermordeten, die nicht identifiziert werden konnten. Du kannst das Ruinendorf, welches 1999 zur Gedenkstätte erklärt wurde, besichtigen und die verlassene Atmosphäre mit rostigen Autos und Fotos der Opfer über dich ergehen lassen. Wenn du Oradour sur Glane besuchen möchtest, achte auf jeden Fall auf deine Umgebung und auf dein Verhalten.
Château De Marçay
Falls du das Paranormale suchst, kannst du das Château De Marçay besuchen, ein Schloss aus dem 15. Jahrhundert, in dem heute ein Hotel untergebracht ist. Es wird sich erzählt, dass die Dame des Schlosses in Wirklichkeit ein Werwolf war und sich jede Nacht verwandelt hat. Eines Nachts hat ein Bauer sie jedoch in verwandelter Form versehentlich erschossen und seitdem soll der Geist der Frau in den Gemäuern umher wandeln. Sowohl Gäste als auch Mitarbeiter haben bereits behauptet, eine Frau in einem weißen Kleid gesehen zu haben.
Mémorial de Caen
Der 6. Juni 1944 ging als D-Day in die Geschichte ein und bezeichnet die Landung der Alliierten in der Normandie während des zweiten Weltkriegs. Hier begann die Operation Overlord, mit der die Befreiung von Paris angestrebt wurde. Die eigentliche Landung ist als Operation Neptune bekannt und war mit über 6.000 Schiffen die größte Landungsflotte des Krieges. Soldaten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada, Neuseeland, Polen, Frankreich u. v. m. nahmen an der Schlacht um die Normandie teil und erreichten die Strände bei Caen über den Ärmelkanal mit massiver Luftunterstützung. Die Nazis hatten die französische Küste zuvor mit dem Atlantikwall gesichert und rechneten mit einer Invasion, jedoch am Pas-de-Calais, wo der Seeweg kürzer war.
Die Landung an den Stränden, Sword Beach, Juno Beach, Gold Beach, Omaha Beach und Utah Beach, war erfolgreich und danach begann die dreimonatige Schlacht um die Normandie, bei der etwa 20.000 Zivilisten getötet wurden. Die Opferzahlen unter den Soldaten sind nicht bekannt, aber auf den Kriegsgräberstätten liegen insgesamt 32.807 alliierte und 77.866 deutsche begraben. Im Mémorial de Caen findest du ausgiebigere Informationen zur Operation, der Landung der Truppen und du kannst an geführten Truppen zu den Landungsstränden teilnehmen.
Fazit
Frankreich kann also nicht nur mit den klassischen Touristenattraktionen glänzen, sondern hat auch was Dark Tourism angeht einiges parat. Wir hoffen du konntest viel Interessantes von den vorgestellten Orten mitnehmen. Übrigens: Italien hat auch einige Ziele für Dark Tourists zu bieten – vielleicht schaust du auch mal beim Nachbarland vorbei. Worauf wartest du noch?
Louisa Marquardt