Dark Tourism in Afrika
Der zweitgrößte Kontinent der Erde ist so vielseitig wie die 55 Länder, die er beheimatet. Jedes Jahr werden Abenteuer, Badetouristen und Kultururlauber von den einzigartigen Landschaften und Städten gelockt, die es hier zu finden gibt. Die riesige Bandbreite lässt sich kaum zusammenfassen, aber einige der größten Touristenmagneten sind wohl die Pyramiden von Gizeh, der Tafelberg in Kapstadt, der Serengeti- und der Krüger-Nationalpark, der Kilimandscharo, die Victoria-Falls und Metropolen, wie Johannesburg, Lagos, Accra und Marrakesch.
Auch für Begeisterte des Dark Tourism hat der Kontinent viel zu bieten, da seine Geschichte ebenso vielseitig ist wie seine Länder und Kulturen. Wenn du noch nicht weißt, worum es sich bei Dark Tourism eigentlich handelt, kannst du dich gerne hier informieren. Falls du schon Bescheid weißt, dann lies gerne weiter, denn wir haben in diesem Artikel die finstersten Ziele Afrikas gesammelt und vorgestellt.
Ghana
Ghana liegt in Westafrika und ist bekannt für seine schillernde Metropole Accra und die schöne, ausgedehnte Atlantikküste. Allerdings hat das Land aufgrund der Kolonisierung durch die Europäer und des transatlantischen Dreieckshandels auch eine sehr düstere Geschichte.
Cape Coast Castle
Bei Cape Coast Castle in der Central Region von Ghana handelt es sich um ein historisches Fort, das 1637 von den Niederländern errichtet wurde. Es erfuhr diverse Übernahmen, unter anderem durch die Schweden, die einheimischen Fetu (1660–1663), die Dänen und schließlich durch die Briten. 1722 wurde hier einer der aufregendsten Piraterie-Prozesse der britischen Admiralität abgehalten, in dem 95 Seeleute aus Bartholomew Roberts Mannschaft schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt wurden, 52 davon zum Tod durch den Strang.
Allerdings ist das Fort primär dadurch bekannt, als Gefängnis für Einheimische gedient zu haben, die als Sklaven in die amerikanischen Kolonien verkauft wurden. Die Gefangenen verbrachten Monate in den dunklen Kerkern zu menschenunwürdigen Bedingungen und warteten auf die Sklavenschiffe, die sie für immer entwurzeln und in weiteres Leid stürzen sollten. Nachdem sie durch die „Door of No Return“ geführt wurden, sahen die gefangenen Männer, Frauen und Kinder ihre Heimat nie wieder. Du kannst dir bei einer Führung durch Cape Coast Castle mehr über die Geschichte des ehemaligen Forts und die Schicksale der Einheimischen lernen.
Südafrika
Das südlichste Land Afrikas ist gleichzeitig eines der beliebtesten Reiseländer des Kontinents und hat nicht zuletzt wegen der Apartheid (Rassentrennung in Südafrika) besonders viele Dark Tourism Ziele in Afrika zu bieten.
Robben Island
Bei Robben Island handelt es sich um eine Gefängnisinsel in der Bucht vor Kapstadt, die schon im 17. Jahrhundert von den Niederländern als Sträflingskolonie genutzt wurde. Angehörige der Khoikhoi wurden hier isoliert und nach der Übernahme Südafrikas durch die Briten wurden auch einige Xhosa-Befehlshaber auf der Insel inhaftiert. Danach befand sich bis ins 20. Jahrhundert Lager für Leprakranke auf der Insel bis in den 1960er Jahren dort ein Hochsicherheitsgefängnis errichtet wurde.
Nelson Mandela, der ehemalige Präsident Südafrikas und Aktivist im Freiheitskampf gegen die Apartheid, sowie einige seiner Anhänger saßen viele Jahre in diesem Gefängnis. Die Gefangenen mussten in den Steinbrüchen auf der Insel arbeiten, wofür ihre Kleidung unzulänglich war, und schliefen anfangs auf dünnen Strohmatten auf dem Steinfußboden der Zellen.
Wenn du das Gefängnis besuchst, kannst du verschiedene Arten von Touren buchen und mehr über die 500-jährige Geschichte von Robben Island lernen. Teilweise wirst du von ehemaligen Insassen geführt, die ihre persönlichen Erfahrungen mit dir teilen.
District Six Museum, Cape Town
Östlich von Stadtzentrum in Kapstadt liegt der ehemalige, bunte und multikulturelle Stadtteil District Six, der 1966 von der Apartheid-Regierung zu einem „whites-only“ Areal erklärt wurde. Das hatte zur Folge, dass die Menschen, die dort schon seit Generationen gelebt haben, zwangsumgesiedelt wurden. Ihre Häuser wurden abgerissen, um Platz für das neue Wohnviertel „Zonnebloem“ zu machen, jedoch wurden diese Pläne nicht umgesetzt.
1994 wurde das District Six Museum gegründet, um an die brutale Zerstörung des ehemals lebendigen Viertels zu erinnern. Es ist eine Mischung aus traditionellem Museum, Kunstgalerie und Gemeinschaftsraum. Es zeigt auf jeden Fall eine andere Seite der Apartheit-Ära.
Constitution Hill
In Johannesburg steht ein 1892 von den Buren erbautes Fort, das später um einige Gebäude erweitert und als Gefängnis genutzt wurde. Männer, Frauen und sogar Kinder litten hier unter unmenschlichen Haftbedingungen, die von mangelnder Hygiene bis zu Folter und Entwürdigung reichte: Die Hallen und Zellen waren überfüllt und es grassierten Krankheiten, Häftlinge wurden geschlagen und zum „Tauza“-Tanz gezwungen, d. h. sie mussten nackt in die Luft springen, um zu beweisen, dass sie keine Gegenstände in ihren Körperöffnungen versteckt hatten.
Politische Aktivisten, wie Nelson Mandela, Mahatma Ghandi, Robert Sobukwe oder Winnie Mandela zählen zu den berühmtesten Gefangenen, aber in seinem 100-jährigen Bestehen sah das Gefängnis weitaus mehr Häftlinge. Die Vergehen, für die sie eingesperrt wurden, reichten von homosexuellen Handlungen oder Bierbrauen durch schwarze Südafrikaner bis zu schwerwiegenden Verbrechen, wobei sich die Justiz nach der damaligen Regierung richtete.
Neben dem Gefängnis, das 1987 geschlossen wurde, liegt das heutige Verfassungsgericht, was den Ort ausgesprochen symbolisch und kontrastreich macht. Außerdem stammt der Name des Standorts Constitution Hill vom Verfassungsgericht. Dort erfährst du mehr über Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit sowie über Unterdrückung und Befreiung.
Ruanda
Der Binnenstaat in Ostafrika ist touristisch noch wenig erschlossen, aber lockt mit Safaris in die hügelige Landschaft, wo Berggorillas leben. Leider erlangte das Land aufgrund des Völkermords in Ruanda traurige Berühmtheit und ist einer der dunkelsten Dark Tourism Orte in Afrika.
Kigali Genocide Memorial Centre
1994 begann der Genozid an den Tutsi mit dem Abschuss eines Flugzeugs, in dem der ruandischen Präsident Habyarimana saß, der zur Ethnie der Hutu gehörte: Über die folgenden rund 100 Tage töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit, da ihr die Schuld für die Ermordung des Präsidenten gegeben wurde. Während des Völkermords starben ungefähr eine Million Menschen. Die Taten waren von größter Grausamkeit geprägt und schlossen Plünderungen, sexuelle Demütigungen, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Folterpraktiken und vieles mehr ein.
Das Kigali Genocide Memorial Centre beherbergt die Überreste von etwa 250.000 Getöteten, welche zum Teil mit einer Kalkschicht mumifiziert wurden. Die Gesichtszüge der Toten sind dadurch erkennbar. Das Erinnerungszentrum steht in Kritik, weil zum einen ausschließlich Angehörige der Tutsi dort bestattet sind und zum anderen diese Bestattungsart nicht dem traditionellen Umgang mit Toten entspricht. Du solltest hier auf jeden Fall größten Respekt zeigen.
Es gibt in ganz Ruanda noch weitere Gedenkstätten, die an diese dunkle Kapitel der Landesgeschichte erinnern sollen, aber die in Kigali ist die größte.
Namibia
Im Südwesten Afrikas lockt Namibia mit riesigen Wüsten und ausgedehnten Steppen, in denen Dark Tourists auf Geisterstädte stoßen können.
Kolmanskop
Kolmanskop ist eine der Geisterstädte, die es in Namibia zu finden gibt. Die langsam im Sand verschwindende Stadt liegt ungefähr 10 km von Lüderitz entfernt im Tsau-ǁKhaeb-(Sperrgebiet)-Nationalpark und galt einst als reichste Stadt Afrikas, da hier Diamanten in den Bergminen abgetragen wurden. Nachdem der Diamantabbau allerdings 1930 endgültig eingestellt wurde, verließen die Bewohner die Stadt nach und nach und ließen vielfach Wohnungseinrichtungen zurück.
Man kann nur zu bestimmten Zeiten oder mit einer Erlaubnis die Stadt aufsuchen, da heute immer noch Diamanten abgebaut werden und Schmuggler versuchen, in das Sperrgebiet einzudringen. Du kannst aber an einer Führung teilnehmen, um die Stadt zu sehen.
Skeleton Coast
Im Norden Namibias wird ein Küstenabschnitt „Skeleton Coast“ genannt. Der Name stammt ursprünglich daher, dass Wal- und Robbenskelette regelmäßig an die Küste gespült wurden, aber mittlerweile bezieht er sich eher auf die gestrandeten Schiffswracks, die die Küste zieren. Der Atlantische Ozean ist hier von starken Strömungen und Winden gekennzeichnet und häufiger Nebel erschwert die Sicht, weswegen so viele Schiffe verunglückt sind.
Früher waren die Überlebenschancen für die gestrandeten Seefahrer gleich null; sie verdursteten in der Wüste. Heute stranden eigentlich keine Schiffe mehr an der namibischen Küste, da sie mit einem GPS-Navigationssystem ausgestattet sind. Wenn du hier bist, kannst du noch einige verwitterte Wracks sehen, die langsam vom Ozean zersetzt werden.
Fazit
Der afrikanische Kontinent hat wegen seiner vielen Länder und langen, tragischen Geschichte viel für Begeisterte des Dark Tourism zu bieten. Allerdings gilt es, sich immer mit Respekt und Anstand an diesen Dark Tourism Orten in Afrika aufzuhalten – vor allem, weil ein großer Teil der hier vorgestellten Historie noch sehr jung ist und aufgearbeitet werden muss. Wir hoffen, dass wir dir einen Überblick verschaffen konnten und du etwas mitnehmen konntest.
Louisa Marquardt