Unterirdische Stadt Türkei – Ein Blick in die geheimnisvolle Welt unter der Erde

Stell dir vor, du gehst über karges, felsiges Land in Zentralanatolien – nichts deutet auf etwas Besonderes hin. Doch was du nicht siehst: Unter dir erstreckt sich eine komplexe, mehrstöckige Stadt, in der einst Tausende von Menschen lebten, arbeiteten und beteten. Willkommen in der Welt der unterirdischen Städte der Türkei. Das Land hat nämlich viel mehr zu bieten als Städte wie Istanbul und Ankara.

Vor allem in der Region Kappadokien, im Herzen der heutigen Türkei, liegt ein Geheimnis verborgen, das Archäologen und Besucher gleichermaßen fasziniert: Ein ganzes Netzwerk unterirdischer Städte, von denen viele bereits vor Jahrtausenden entstanden sind. Diese einzigartigen Orte sind mehr als nur Höhlen – es sind vollwertige Städte, mit ausgeklügelten Belüftungssystemen, Wasserversorgung, Lagerräumen, Kirchen und sogar Weinkellern.

Die Frage, warum Menschen solche Städte in den Fels gebaut haben, führt dich mitten hinein in die Geschichte Anatoliens – eine Geschichte von Schutzbedürfnis, Überlebenswillen und beeindruckender Ingenieurskunst.

Unterirdische Stadt Türkei – Ein Blick in die geheimnisvolle Welt unter der Erde: Bild auf iStock von Pakhnyushchyy

Die Geschichte unterirdischer Städte – Schutz in unruhigen Zeiten

Die Entstehung der unterirdischen Städte reicht weit zurück. Einige Anlagen könnten bereits in der bronzezeitlichen Hethiterzeit angelegt worden sein, rund 2000 v. Chr. Doch die große Zeit dieser Bauten begann wahrscheinlich in der frühchristlichen Epoche, etwa im 4. Jahrhundert n. Chr.

Damals war Anatolien ein umkämpftes Gebiet. Immer wieder zogen feindliche Truppen durch die Region, Christen wurden verfolgt, und viele Siedlungen waren schutzlos. Die Bewohner fanden eine ungewöhnliche, aber wirkungsvolle Lösung: Sie verlagerten ihr Leben kurzerhand unter die Erde.

Die vulkanischen Tuffsteine der Region Kappadokien sind weich genug, um leicht bearbeitet zu werden, aber stabil genug, um komplexe Strukturen zu tragen. So entstanden über Jahrhunderte hinweg ganze unterirdische Städte, die bis zu zehn oder mehr Etagen tief reichen und mehreren Tausend Menschen gleichzeitig Schutz boten.

Derinkuyu – Die größte bekannte unterirdische Stadt

Wenn du nur eine Höhlenstadt besuchen willst, dann ist es Derinkuyu. Diese Stadt liegt rund 40 Kilometer südlich von Nevşehir und ist die größte bisher entdeckte Anlage ihrer Art. Mit ihren rund 60 Metern Tiefe und bis zu 18 Ebenen bietet sie einen einmaligen Einblick in das unterirdische Leben vergangener Zeiten.

Du findest hier Wohnräume, Ställe für Tiere, Gemeinschaftsräume, Lagerräume, eine Kirche, sogar eine Schule mit separatem Unterrichtsraum. Besonders beeindruckend ist das Belüftungssystem, das aus rund 15.000 Schächten besteht und frische Luft selbst in die tiefsten Etagen leitet.

Die Bewohner konnten große, runde Steintüren aus dem Inneren heraus verschieben, um die Eingänge abzuriegeln. Solche Maßnahmen machten die Stadt zu einem sicheren Rückzugsort bei Gefahr.

Man geht davon aus, dass Derinkuyu bis zu 20.000 Menschen gleichzeitig aufnehmen konnte – samt Tieren und Vorräten. Ein solcher Ort war nicht nur ein Notfallbunker, sondern eine durchdacht konstruierte Lebensumgebung.

Kaymakli, Özkonak und weitere faszinierende Orte

Neben Derinkuyu gibt es zahlreiche weitere unterirdische Städte in Kappadokien, die du entdecken kannst. Viele sind miteinander durch unterirdische Tunnel verbunden – einige dieser Verbindungen wurden allerdings noch nicht vollständig freigelegt.

Kaymakli – Der verwinkelte Nachbar

Nur wenige Kilometer von Derinkuyu entfernt liegt Kaymakli. Diese Stadt ist kleiner, wirkt aber durch ihr komplexes Tunnelsystem fast labyrinthartig. Auch hier findest du Lagerhallen, Wohnräume, eine Kirche und Räume zur Lebensmittelverarbeitung. Einige Gänge sind so niedrig, dass du dich bücken musst – genau das macht den Besuch so eindrucksvoll.

Özkonak – Verteidigung mit Raffinesse

Özkonak unterscheidet sich durch sein besonders durchdachtes Verteidigungssystem. Hier gibt es kleine Öffnungen in den Wänden, durch die heiße Flüssigkeiten oder Pfeile gegen Eindringlinge eingesetzt werden konnten. Solche Details zeigen dir, wie viel strategisches Denken in diesen Bauten steckte.

Tatlarin und Mazi – Geheimtipps abseits des Trubels

Etwas abseits der touristischen Hauptziele findest du Tatlarin und Mazi. Tatlarin ist besonders für seine Kapellen und Fresken bekannt, während Mazi mit seinen Weinkellern und Lagerkammern beeindruckt. Beide Orte bieten dir eine ruhigere, authentischere Erfahrung ohne große Menschenmassen.

Sensationsfund für Touristen und Fans von Archäologie: Midyat

In der türkischen Stadt Midyat (Provinz Mardin) wurde bei Restaurierungsarbeiten zufällig der Eingang zu einer riesigen unterirdischen Stadt entdeckt. Ausgrabungsleiter und Direktor des Mardin-Museums ist der angesehen Mann Gani Tarkan. Die Stadtsoll über 1900 Jahre lang genutzt worden sein und bot bis zu 70.000 Menschen Schutz, vermutlich zunächst verfolgten Christen. Die Anlage besteht aus einem weitverzweigten Netzwerk von Gängen und Räumen. Seit dem Fund laufen archäologische Ausgrabungen, um die beeindruckende Stadt weiter freizulegen.

Leben unter der Erde – Alltag im Untergrund

Das Leben in einer unterirdischen Stadt war hart, aber gut organisiert. Die Versorgung mit Frischluft war über Lüftungsschächte gesichert, die teilweise bis zur Erdoberfläche reichten. Brunnen versorgten die Menschen mit Wasser, und durch natürliche Kühlung blieben Lebensmittel lange haltbar.

Du wirst feststellen, dass bestimmte Etagen spezifischen Zwecken dienten: Wohnräume lagen oft in mittleren Ebenen, während Vorratsräume, Ställe und Werkstätten in den unteren Geschossen untergebracht waren. Die obersten Ebenen waren besonders gefährdet – sie dienten oft nur zur Tarnung oder als Kontrollpunkte.

Die Temperaturen blieben ganzjährig relativ konstant – zwischen 13 und 15 Grad Celsius – was das Klima unter der Erde angenehm machte, vor allem im heißen Sommer oder im kalten Winter.

Geheime Zugänge und perfekte Tarnung

Die Eingänge zu den Städten waren clever versteckt. Manche befanden sich hinter unauffälligen Türen, in Höhlen oder Wohnhäusern. Andere waren nur durch schmale Schächte erreichbar, die im Notfall mit Steinen versperrt werden konnten.

Besonders beeindruckend sind die rollbaren Steintüren, die teilweise über einen Meter breit und mehrere Hundert Kilogramm schwer sind. Diese konnten schnell von innen verschoben werden, um Eindringlinge auszusperren.

Für dich als Besucher ist es heute kaum vorstellbar, wie unsichtbar diese Orte einst gewesen sein müssen. Von der Oberfläche aus sieht man – nichts. Keine Mauer, kein Eingang, keine Spur einer Stadt. Nur durch Zufälle oder gezielte Ausgrabungen kamen viele dieser Anlagen ans Tageslicht.

Neue Entdeckungen und moderne Archäologie

Noch heute machen Forscher in der Türkei immer wieder neue Entdeckungen. Erst 2014 wurde unter der Stadt Nevşehir eine weitere riesige unterirdische Stadt entdeckt, möglicherweise sogar größer als Derinkuyu.

Durch moderne Technologien wie 3D-Bodenradar und Laserscans gelingt es den Archäologen, unterirdische Strukturen aufzuspüren, ohne sofort graben zu müssen. Dabei wird immer deutlicher: Was wir heute kennen, ist nur ein Bruchteil des riesigen Netzes unter Anatolien.

Du kannst also sicher sein: Viele Geheimnisse warten noch darauf, entdeckt zu werden.

Dein Besuch in einer unterirdischen Stadt – Das solltest du wissen

Wenn du eine unterirdische Stadt in der Türkei besuchen möchtest, solltest du einige Dinge beachten:

  • Trage festes Schuhwerk und bequeme Kleidung – die Wege sind oft uneben und schmal.
  • Klaustrophobie? Überlege gut, ob du dich in enge Gänge und tiefe Schächte begeben möchtest. Manche Gänge sind nur 1,20 m hoch.
  • Geführte Touren sind sinnvoll, denn du bekommst viele interessante Hintergrundinfos.
  • Plane Zeit ein – je nach Anlage solltest du 1 bis 2 Stunden einrechnen.
  • Derinkuyu und Kaymakli sind am besten erschlossen, aber auch gut besucht. Wer es ruhiger mag, besucht kleinere Städte wie Mazi oder Tatlarin.

Ein Besuch ist wie eine Zeitreise in eine andere Welt. Du bekommst ein Gefühl dafür, wie eng das Leben war, aber auch, wie innovativ und anpassungsfähig die Menschen gewesen sind.

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